Gewaltfreie Kommunikation
Kommunikationsmodelle? In einem Blog über Persönlichkeitsentwicklung? Tja Pfennigschmidt, da hast du das Thema mal wieder verfehlt. Das gibt ’ne Sechs. Setzen!
Nein. Finde ich überhaupt nicht. Geht es um den Dialog mit sich selbst, der sich ja im Kopf oft tatsächlich wie ein Gespräch anhört, kannst du dich sehr gut daran orientieren, was sich im gegenseitigen zwischenmenschlichen Umgang erfolgreich bewährt hat. Schließlich geht es hier um eine Kommunikationstechnik, die sich mächtig auf unserem Planeten verbreitet hat. Kaum einer, der nicht wenigstens schon mal davon gehört hat.
Gewaltfreie Kommunikation ist DAS Gesprächsmodell für einen Austausch auf Augenhöhe, geprägt von Achtung und ohne offene oder verdeckte Sticheleien. Wenn es uns allen doch gelänge, emphatisch und miteinander lösungsorientiert zu diskutieren, wäre schon eine Menge Leid Geschichte.
Hier im Blog steht das Modell der Gewaltfreien Kommunikation als Blaupause für die eigenen inneren Diskussionen. Würdest du dich tatsächlich darin üben, mit dir so zu sprechen – mit anderen zwar auch, aber zunächst besonders mit dir selbst – also mit dir zu sprechen und zu kritisieren, wie ich gleich skizziere, dann wird sich eine Menge für dich verändern. Allein dadurch, dass du dir angewöhnst, achtungsvoll und fair mit dir selbst zu sprechen, wird sich vieles entspannen, was vorher noch für sinnlose, schwächende Gedanken sorgte. Automatisch wirst du auch mit anderen auf einer achtungsvolleren Art sprechen können, wann immer du es in einer Situation mal brauchst.
Gewaltfreie Kommunikation, ein fantastischer Weg, um schmerzlos, ohne verletzende Anteile dennoch klar zu sagen, was man vermitteln möchte. Es ist sogar „eingebaut“, den anderen bei der Lösungsfindung mit einzubeziehen. Das bedeutet eine gemeinsame Suche nach beidseitigen Lösungen. Bisher hat immer nur einer gewonnen und der andere verloren. Es geht eben auch anders.
Aber jetzt meine ich vordringlich den inneren Dialog. Analysiere das Folgende mal in Bezug auf deine Gedanken und die Art, wie du mit dir selbst sprichst. Hier kommt die Idealform, die das höchste Entwicklungspotenzial hat und so gut wie keine negativen Bremsen.
Marshall Rosenberg, ein klinischer Psychologe, ist der „Erfinder“ der gewaltfreien Kommunikation. Neben dem Zuhören ist natürlich das Sprechen die zweitwichtigste Disziplin in der Kommunikation.
Gewaltfreie Kommunikation ist eine fantastische Methode, mit der sich der „Zündstoff“ innerhalb der Gespräche herausfiltern lässt, mit der die wesentlichen Inhalte dessen, worauf es ankommt, Beachtung finden und alle weiteren emotional verletzenden Formulierungen im Gespräch vermieden werden.
Worum geht es nun im Wesentlichen, wenn ich Probleme mit dem Verhalten eines anderen habe. Was ist es genau, was der andere von mir wissen muss, um mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verstehen, was mich bewegt oder ärgert?
Womit sich die Gesprächssituation aufheizen lässt, und wie die Diskussion eskalieren kann, ist uns allen nur zu gut bekannt. Darin haben die meisten Übung. Im Streiten, im Verletzen, im Angreifen.
Im Allgemeinen wird die sachliche Ebene – das, worum es ursächlich geht – nach einer individuellen Anzahl erfolgloser Versuche verlassen. „Mit dem kann man nicht reden!“, „Wer nicht hören will muss spüren …“, heißt es schnell und schon ist das Ziel weiterer Aktionen nicht mehr die Behandlung der Ursache, sondern der „Gegner“ selbst.
Diese kämpferisch ausgerichtete Strukturen, Methoden und Handlungsweisen lernen wir schon im Kindergartenalter. Wie es gelingen kann, jemanden fertig zu machen, wo genau die schwache Stelle ist, wie sich jemand besonders gut ärgern lässt und dann extrem verärgert reagiert. Wie sich Verbündete finden lassen, die man auf die eigene Seite ziehen und mit ihnen gemeinsam den eigenen Kontrahenten angreifen kann. So entdeckt man auch im Erwachsenenalter noch den einen oder anderen Krieger, der außer Kämpfen nicht viel gelernt hat, daher große Defizite dabei hat, einen Konflikt kampflos zu bereinigen.
Was ist denn der tatsächliche Inhalt dessen, was ich dem anderen vermitteln möchte, und wie kann ich es zusammenfassen und ausdrücken, ohne dass die Auseinandersetzung noch weiter eskaliert? Darin haben viele wenig Übung.
Wie funktioniert Gewaltfreie Kommunikation genau? Emphatischer Umgang miteinander wird als eine Grundvoraussetzung angesehen, um sich wirksam zu verständigen und miteinander Konflikte klären zu können. Das Wegbrechen des Mitgefühls und der Empathie für den anderen im Disput bewirkt die Eskalation und den Fokuswechsel auf die Person und nicht mehr auf den Auslöser.
Marshall Rosenberg unterscheidet zwischen Lebensentfremdender und Gewaltfreier Kommunikation. Als Lebensentfremdend sieht er alle blockierenden und hemmenden Formen von Kommunikation zwischen Menschen an, die bis hin zu psychischer oder physischer Gewalt führen können.
Lebensentfremdend sind beispielsweise das Be- und Verurteilen der Handlungen oder der Einstellungen des Konfliktgegners oder das Leugnen der Verantwortung für das eigene Handeln („Du hast mich gezwungen, so zu handeln, du hast ja nicht auf mich gehört.“)
Vergleiche sind ebenfalls argumentative Verstärker: „Du bist so blöd wie der oder der …“, taugen jedoch keinesfalls, wenn es um eine Klärung geht. Eher provozieren sie eine weitere Diskussion über den Vergleich, gegen den sich die andere Person sicherlich aussprechen wird.
Es gibt auch subtile Formen. Die allgegenwärtige Empfehlung ist ja, von sich selbst und nicht von dem anderen zu sprechen, um diesen nicht weiter zu verletzen. Statt: „Du verletzt mich mit deinen Äußerungen, die ich nicht ohne Weiteres hinnehmen möchte.“, wird eben bequem umformuliert in: „Ich fühle mich von deinen Äußerungen verletzt, die ich nicht ohne Weiteres hinnehmen kann.“
Hier klingt es zwar fast so. als würde ich von mir sprechen. Indirekt mache ich allerdings immer noch die Äußerungen des anderen verantwortlich für mein Gefühl.
Eine weitere, weit verbreitete Form des „Öl ins Feuer Gießens“ ist das Bewerten und Zuschreiben von Eigenschaften des anderen. Diese Person sei böse, aggressiv, handele vorsätzlich, nur um zu verletzen. Der Konflikt sei ausschließlich durch den anderen verursacht worden, man selbst habe nichts getan, sondern nur reagiert. Die Schuld an der Eskalation trage der andere allein.
Eine weitere blockierende Kommunikationsform ist das Stellen von Forderungen, statt den anderen um etwas zu bitten. Während der andere im Fall einer Bitte die Entscheidung trifft, ob er dieser Bitte nachkommt, erwarten ihn Konsequenzen bei Nichterfüllung von Forderungen.
Wer sich im Recht glaubt, denkt vielleicht, Forderungen stellen zu können. Ehe der andere diesen nicht nachkäme, könne dieser kein weiteres Entgegenkommen erwarten. Hier zeigt sich deutlich die Blockade, die aufgebaut wird.
Bei der Gewaltfreien Kommunikation werden ganz bewusst oben genannte hemmenden Funktionen vermieden und ersetzt durch förderliche entgegenkommende Formulierungen. Vermieden werden also Bewertungen, Urteile, Zuschreibungen und Forderungen gegenüber der Persönlichkeit des anderen oder seinen Handlungen.
In vier Schritten lassen sich laut Rosenberg alle auftretenden Problemstellungen beschreiben, und so Worte, Sätze oder Formulierungen zu wählen, die eine Eskalation verhindern.
Schritt 1: Beobachtung
Zunächst wird sachlich formuliert, was „beobachtet“ wurde. Wie es ein Außenstehender formulieren würde. Dadurch vermeidet man Bewertungen oder Interpretationen des „Verursachers“, sondern beschreibt tatsächlich nur, was passiert ist, wie sich jemand verhalten hat oder eben nicht gehandelt hat.
In diesem Schritt geht es wirklich nur um die Sache, um die es geht, nicht um Bewertungen und um Urteile.
Schritt 2: Emotionale Reaktion und Schritt 3 unerfülltes Bedürfnis
Was löst das Beschriebene in mir aus? Was macht das Erlebte mit mir? Hier beschreibe ich meine inneren Reaktionen und mein in der erlebten Situation aufflammendes Gefühl, das in direktem Zusammenhang mit einem bedrohten inneren Bedürfnis steht. Einem Bedürfnis, das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim anderen zu finden ist, eines, das ich mit meinem Gesprächspartner teile, wie etwa erfolgreiche Kommunikation, Verständnis, Sinnhaftigkeit, auch Sicherheit. Das ist der Teil der eigenen Bedürfnisse, der wesentlich im Umgang mit anderen ist. Unwichtig sind eigene Bedürfnisse, die mit dem anderen nichts zu tun haben, wie Abgrenzung, Wunsch nach Ruhe, und alle die negativen Formen wie Vergeltung oder Rache, Zuschreibung, und der Suche nach Schuld.
Nicht also sind es die Worte oder Sätze des anderen, die eine Verletzung in mir auslösen, sondern genauer betrachtet nur, wie ich sie verstanden habe.
Hier fließen alle meine Einstellungen, Erwartungen, erlebte Erfahrungen und blöde Erlebnisse mit ein, die nichts mit meinem Gegenüber zu tun haben und daher nicht ins Gespräch gehören, das ich gerade mit dem anderen führe. Nein. All diese Nebenkriegsschauplätze kosten nur unnötig Zeit und behindern eher Austausch, als dass sie ihn befördern.
Sinnvoll dagegen ist eher, darüber zu sprechen, was mich mit dem anderen verbindet, also tatsächlich beim Thema zu bleiben. Dadurch werden effektiv Formulierungen vermieden wie: „Ständig gehst du mir damit auf die Nerven.“, „Ich habe dir schon tausendmal gesagt …“, „Du machst das alles mit Absicht…“
Schritt 4: Bitte um konkrete Handlung, Appell
Der finale Schritt ist am Ende die Bitte um das, was aktuell zu tun oder zu lassen ist. Das worum ich den anderen bitten möchte. Das was weite Teile meines erlebten aktuellen Problems lindern würde oder es vollkommen lösen würde.
Hier geht es nicht um eine Forderung, sondern darum, dass sich mein Gegenüber selbst entscheiden kann, mir in diesem Punkt entgegen zu kommen und mir meinen Wunsch zu erfüllen. Zudem hat mein Gegenüber die Gelegenheit, einen anderen Vorschlag zu machen, der auch seine eigenen Bedürfnisse berücksichtigt und damit sogar uns beiden geholfen ist.
Rosenberg entwickelte aus diesen vier Stufen ein „Formulierungsmuster“, mit dem die so von ihm benannte lebensentfremdende Kommunikation erfolgreich vermieden werden kann.
Wenn ich A. (Beobachtung) sehe, dann fühle ich B. (Gefühl), weil ich C. (Bedürfnis) brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D. (Bitte).
Die deutsche Sprache ist eine der kompliziertesten der Welt mit unglaublich vielen Wörtern. Je mehr ich mit Begriffen „jongliere“, je mehr sprachliche Variationen ich verfügbar habe, um das auszudrücken, was ich meine, umso leichter wird es mir fallen, meine Sprache auf die meines Gegenübers anzupassen. Es gibt zahllose Varianten, Dinge, Zusammenhänge, Sachverhalte zu erklären.
Mit Fachkollegen sind die Inhalte gespickt mit Fachtermini und Abkürzungen, deren Entschlüsselung man beim Anderen voraussetzt. Einem Besucher aus einem anderem Berufsfeld gegenüber wird man Fremdwörter vermeiden, Fachwörter oder Begriffe im Redefluss erklären und im Sinn behalten, dass dieser ohne Vorabinformationen zuhört und vieles nicht wissen kann.
So ist es auch in der Gewaltfreien Kommunikation. Hier ist vordringlich zu beachten, dass die wesentlichen Informationen auch tatsächlich transportiert werden: Was ist wirklich Thema dessen, was ich sagen möchte? Was ist meine sachliche Beobachtung? Was genau davon ärgert, befremdet oder verschließt mich, was macht das (nur) mit mir? Warum ist das (vielleicht nur) bei mir so und was genau wünsche ich mir, damit es mir wieder gut geht?
Klingt erst mal ganz einfach. Ist es aber nicht. Gerade dann nämlich, wenn ich am Konflikt beteiligt bin, dann gibt es auf beiden Seiten – wie oben geschildert – Ärger, Frustration, unangenehme Gefühle und eine vielleicht sogar schon aufgeheizte Stimmung, und dann ist es für jeden schwer, die ruhige Haltung und Besonnenheit im Gespräch zu behalten. Die innere Wut oder Empörung kann sogar so weit gehen, dass es besser wäre, das Gespräch zu vertragen, als sich wütend weiter zu streiten und anzuschreien.
Gelänge es jedoch, sich im Vorwege einer Aussprache schon genau zurechtzulegen, wie man den Anderen anspricht, ohne „Öl ins Feuer zu gießen“, also Wertungen, Verallgemeinerungen, Nebenkriegsschauplätze und Schuldzuschreibungen effektiv zu vermeiden, dann hätte mein Gegenüber viel mehr Chancen, mich besser zu verstehen. Zum einen hat er es nicht mit der Abwehr von verbalen Angriffen zu tun, weil ich vermeide, ihn zu verletzen. Zum Anderen versteht er besser, was ich meine, weil ich es deutlich äußere, beim Thema bleibe und zudem auch noch ausdrücke, was ich gern von ihm hätte, damit es mir wieder gut geht.
So gelingt es sehr schnell und konzentriert – spart also zudem auch noch Zeit – das zu transportieren, worauf es mir ankommt. Analog dazu gibt es auch sehr prompt eine Reaktion darauf. Auch diese wird genauer und besser verständlich sein, weil Abwehr nicht nötig ist. Es gab ja keinen Angriff.
Die Zeitfresser in Konflikten sind nämlich genau diese Mechanismen. Jemand schießt aus der Deckung und erntet Verteidigung des Gegners. Der Gegner schießt zurück. „Hat nicht gereicht“, denken beide, und schon ist der Fokus verschoben. Schon geht es nur noch um das effektive Parieren oder um möglichst zerstörerische Angriffe.
Nehmen wir mal einen Monolog eines Sachbearbeiters in Augenschein, der sich seit Monaten schon über die Angewohnheit seines Kollegen ärgert, alle zwanzig Minuten das Fenster aufzureißen, um „Frische Luft“ hineinzulassen. Zum einen wird es dann immer extrem laut durch den Lärm der Stadt, zum anderen sehr zugig, und meistens auch kalt im Büro. Er hat aber bisher nichts gesagt und seinen Ärger in sich hineingefressen.
Kollege B. also kommt morgens ins Büro, grüßt freundlich und öffnet wie selbstverständlich und gewohnt sein Fenster.
Dem Kollegen A. fällt der Kuli aus der Hand, er klatscht beide Hände auf seinen Tisch und bollert los:
„Also, jetzt reicht es! Seit 20 Jahren arbeite ich nun schon hier, aber so
etwas ist hier noch nie vorgekommen. Solchen Egoismus und Rücksichtslosigkeit
gab es hier bisher nicht. Ich kam immer gut klar mit allen Kollegen hier und
die alle mit mir ebenso, aber seit Sie hier sind, ist die gute Stimmung in der
ganzen Abteilung völlig zerstört! Sie wissen genau, was hier im achten Stock
für ein Zug entsteht, wenn Sie lüften. Schauen Sie sich mal um. Alle meine
Akten und Papiere muss ich beschweren, damit sie nicht wieder und wieder durch
den Raum fliegen. Ganz abgesehen von der unerträglichen Kälte im Büro, die ich
ständig aushalten muss. Ich verlange von Ihnen, dass Sie dieses Verhalten
abstellen, sonst werde ich mich bei unserer Leitung über Sie beschweren und
anregen, dass Sie ein anderes Büro bekommen.“
Das ist harter Tobak für den Kollegen. Im eben gehörten Wortschwall stecken viele verschiedene Formulierungen, Bewertungen, Urteile, Verallgemeinerungen Forderungen und sogar Drohungen. Sie haben mit dem eigentlichen Problem nichts zu tun, sondern werden nur gern genutzt, um Gegenwehr von vornherein auszuschließen. Oder eben wie hier, weil man den Ärger lange in sich hineingefressen und nichts dagegen unternommen hat und plötzlich explodiert.
Zusammengenommen ist der Aussage zu entnehmen:
- beim Lüften entsteht Zug, der Notizen und Dokumente durcheinander wirbelt
- beim Lüften kühlt das Büro zu sehr aus
- Das führt zu Unbehagen und Problemen
- Es wäre gut, eine gemeinsam gefundene Einigung zu finden, wie das Problem gemindert, oder sogar gelöst werden kann.
Das hat er jedoch nicht gesagt. Oder nur verschlüsselt. Man muss es sich übersetzen.
Die Reaktion seines Kollegen auf den verbalen Angriff wird daher vordringlich darauf abzielen, seine Haut zu retten, sich zunächst auf die Anklagen und Verurteilungen beziehen und das Gesagte versuchen, zu entschärfen.
Es kann auch schlimmer kommen und der andere Kollege schaltet auf Gegenangriff und fängt seinerseits an, seinen Kollegen zu demontieren. Es wird nicht besser dadurch.
Das, worum es eigentlich ging, ist in weiter Ferne. Vordringlich ist jetzt, die erlebten Verletzungen zu klären. Und das kostet wertvolle Zeit bei Klärungen.
In der gewaltfreien Kommunikation geht es genau darum. Diese vermeidbaren Streitgespräche zu vermeiden, oder aber auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
Den vier verschiedenen Schritten folgend hätte Kollege A auch sagen können:
„Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen, Her Kollege. Bevor wir beide anfangen zu arbeiten möchte ich kurz mit Ihnen sprechen. Wäre das in Ordnung für Sie?
Sicherlich würde Kollege B nicht ablehnen wollen. Er stimmt einem kurzen Austausch also zu.
1. Beobachtung
„Seitdem wir beide gemeinsam in diesem Büro arbeiten sind mir einige Dinge aufgefallen. Sie lüften sehr viel. Dadurch entsteht zuweilen extremer Luftzug in unserem Büro – Die Tür klappert und wenn jemand hereinkommt, ist es kaum möglich, die Tür ohne lauten Knall zu schließen. Zudem ist es recht kalt und laut und meine vielen Zettel fliegen durch die Gegend, wenn ich sie nicht beschwere.
2. Emotion / Reaktion
Ich muss Ihnen sagen, dass mich das oft ziemlich ärgert. Zum einen, weil Sie mir nicht Bescheid sagen, so dass ich meine Zettelwirtschaft in Sicherheit bringe und mir eine Jacke anziehen kann, sondern plötzlich das Fenster öffnen. Zum anderen, weil ich mich leicht erkälte und wirklich ein Problem damit habe.
3. Wunsch, Bedürfnis
Es wäre schon viel besser, wenn Sie mir Bescheid geben würden. Ich könnte dann vielleicht kurz aus dem Raum gehen, mich mit anderen Kollegen abstimmen, könnte meine Zettel in einer Mappe zusammenlegen und mich darauf einstellen.
4. Appell
Können wir jetzt und hier gemeinsam zu einer Einigung gelangen, mit der uns beiden geholfen ist? Was haben Sie für eine Idee?“
Zack, fertig!
Insgesamt hat Kollege A vielleicht eine Minute lang gesprochen und damit komplett seine ihm wichtigen Informationen schmerzfrei seinem Kollegen übermittelt. Es kann so keinen Streit geben, keine Missverständnisse, keine Nebenschauplätze, die von einer Lösung wegtreiben und unnötig Zeit kosten.
Und nach dieser einen Minute schon sind beide Kollegen schon sehr nah an einer Lösung. Einen Vorschlag hatte Kollege A schon genannt, der ihm schon sehr helfen würde. Kurz vorher Bescheid geben.
Ein anderer könnte sein, bestimmte Zeiten auszuwählen, an denen gelüftet wird – oder andersherum bestimmte Zeiträume festzulegen, innerhalb der nicht gelüftet wird.
Ohne unnötigen Streit wird es schnell individuelle Lösungen geben, die die beiden finden werden.
Gewaltfreie Kommunikation ist eine fantastische Methode für einen effektiven Austausch. Sie enthält keinen „Zündstoff“ mehr, an dem man sich aufreiben könnte, sondern ist sehr fokussiert auf das gerade aktuelle Problem und eine gemeinsam zu findende Lösung.
Achte einmal darauf, wie du selbst mit anderen sprichst, beobachte die Sprache der Menschen um dich herum. Entdecke die Zeitfresser in der Kommunikation, die Vorwürfe, Urteile, Vergleiche, die alten Geschichten, die hervorgeholt werden…
Auch der Klang der Sprache ist ja so wichtig. Knappe Worte, aus schmalen Lippen herausgepresst, herablassende Ansprache, verächtliche Halbsätze, verschränkte Arme, eine ablehnende Grundhaltung. All das beschreibt Unwillen, fehlende Bereitschaft zu einer gemeinsamen Klärung. Besser ist es, die Aussprache zu vertagen, einen günstigeren Termin zu wählen, der dem Gegenüber auch besser passt und ihm Gelegenheit gibt, sich vorzubereiten.
Es kann einfach sein, effektiv miteinander zu kommunizieren, wenn es zumindest einer von beiden schafft, nicht zu streiten. Zum Streiten gehören zwei. Wird auf Provokationen und Angriffe nicht reagiert, bleibt es dabei. Keine Eskalation.
Dennoch ist es extrem schwierig, die eigenen Emotionen so professionell im Griff zu halten und wohldosiert einfließen zu lassen, um nicht zu verletzen, wenn man selbst emotional beteiligt ist! Man muss das üben und wird immer besser.
Es reitet einen ja manchmal fast, erlebte Verletzungen sofort damit zu beantworten, indem man zurück feuert. Genauso verlassen einen eben auch mal die Vernunft und der Fokus auf Lösungen. Zunächst scheint ein Gefallen darin zu liegen, sich gegenseitig zu beschießen. Es ist auch ein Gefühl des Gewinns, wenn es gelang, den anderen zu demontieren und zur „Aufgabe“ zu zwingen.
Aber das ist nicht die feine Art und hält nicht lang. Wann immer sich eine Gelegenheit für den anderen ergibt, die Unwucht auszugleichen, wird er sie wahrnehmen. Ein Naturgesetz. „Rache ist süß.“
Grundsätzlich effektiver und langfristig wirksamer ist es tatsächlich, auch auf die eigenen Signale zu achten und sich nicht in Diskussionen verstricken zu lassen, wenn man die für eine Klärung erforderliche innere Ruhe – zumindest Beherrschtheit im Moment nicht aufbringen kann. Schließlich ist die eigene Bereitschaft für eine Klärung ebenso wichtig wie die des Gesprächspartners.
Einen guten ausgeruhten Termin mit Zeit vereinbaren, der beiden passt, das Thema vorher schon bestimmen und sich vorbereiten ist gerade bei schwierigen Themen sehr wichtig. Es braucht für Klärung einen entsprechenden Rahmen, damit es gelingt, gemeinsam fokussiert und ohne „Lebensentfrendende“ Kommunikation schwierige Herausforderungen zu meistern.
Die Beschreibung der Gewaltfreien Kommunikation füllt Bücher, wie viele der hier im Blog erwähnten Bereiche. Neugierigen möchte ich wärmstens empfehlen, sich vertiefende Literatur zum Thema zu besorgen. Anders miteinander zu kommunizieren, im Gespräch bewusst Gewalt, Angriff, Verletzung vermeiden wird das Leben insbesondere für die verändern, denen vorher nicht genau klar war, welche negativen Anteile der Kommunikation generell dafür verantwortlich sind, dass Gespräche entgleisen und man wütend und ungeklärt auseinandergeht.
Bewusst zu sprechen versetzt dich in die Lage, das Gespräch zu steuern. Sogar wenn du vom anderen gehörig „eingeschenkt“ bekommst, heißt das nicht automatisch, dass du mitspielen und mitstreiten musst.
Schaffst du es, aus den verbalen Angriffen herauszuhören, was der andere wirklich gerade von dir möchte, kannst du aufmerksam sein, dir Zeit nehmen und zuhören, statt zum Gegenschlag ausholen.
„Lass doch bitte die lauten Worte und gib uns Zeit, das in Ruhe zu klären. Wollen wir uns jetzt oder nachher treffen und das klären? Ich werd dich nicht unterbrechen und genau zuhören, was du sagst, wenn du nicht schreist und mich nicht verletzt.“
Zum Streiten gehören zwei Parteien. Aber ohne einen anderen wütenden Gesprächspartner wird es nichts mit dem Abbau der eigenen Aggressionen. Sicherlich kennst du auch in deinen Kreisen Mitmenschen, die herumlaufen wie geladene Akkus und nur darauf warten, dass sie Gelegenheit bekommen, sich zu entladen.
Jeder ist recht, der Grund gibt, sich über ihn aufzuregen. Die gesamte Umwelt wird entsprechend gescannt. Es gibt keine Gnade, kein Verständnis, kein Entgegenkommen, sondern nur Wut und Angriff.
Bei diesen „anstrengenden“ Gesprächspartnern ist es sehr herausfordernd, innerlich ruhig zu bleiben, statt es darauf ankommen zu lassen, wer hier wen weg bellt, wer es hier wem zeigt…
Aber man kann gut mit Ihnen gemeinsam üben, die Ruhe zu bewahren. Weil es viele unglückliche und schlecht gelaunte Menschen gibt, ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, das Leben zum Trainingsfeld zu machen und gute gewaltfreie Kommunikation zu üben.
Die Jugendlichen unserer Stadt, mit denen ich gemeinsam an ihrer weiteren schulischen Perspektive arbeite, sind extrem empfindlich – verständlicherweise. Sie sind es gewohnt, von Erwachsenen nur Ablehnung, Abkehr und Vorwürfe zu bekommen. Natürlich rechnen sie auch damit, dass ich mich einreihe in ihr Bild von Erwachsenen. Als Mitarbeiter einer Behörde habe ich darüber hinaus extrem schlechte Karten, wenn ein Jugendlicher – gezwungenermaßen hier in meinem Büro auftaucht. Ich beispielsweise gehöre inzwischen zur Gruppe der „Tintenpisser“.
Wenn ich nicht aufpasse, springen die gern verletzt auf und rennen raus, weil sie irgendwas falsch verstanden haben und sich wieder so niedergemacht und abgelehnt fühlen, wie sonst immer. Manchmal suchen sie aber auch aus Unwillen, sich mit ihren Problemen zu befassen, geradezu nach einer Gelegenheit, aus der Situation herauszukommen.
Spätestens nach zwei, drei Treffen kommen dann auch Äußerungen, wie: „Warum bist du so eigentlich so freundlich, obwohl ich so viel Scheiße gemacht habe? Kenn ich nicht. Du willst mich nicht verarschen, oder?“
Die feinen Antennen junger Menschen registrieren Ablehnung, Wut, Angst und Aggression genau so scharf, wie Achtung, Anteilnahme und Entgegenkommen. Wir Erwachsenen haben die gleichen Antennen und nutzen sie, reden aber nicht mehr darüber.
Jetzt am Ende des Abschnittes noch mal den Fokus auf dich und deinen inneren Dialog.
Noch mal zur Veranschaulichung:
Wenn ich A. (Beobachtung) sehe, dann fühle ich B. (Gefühl), weil ich gern C. (Bedürfnis) hätte. Deshalb möchte ich dich jetzt bitten, um D.
Nehmen wir an, du hast die wichtige Prüfung vergeigt, erst in einem halben Jahr der letzte Versuch, es zu schaffen. Innen schreist du dich an, kannst noch nicht fassen, dass es nicht geklappt hat. Dein Zeitplan gerät durcheinander und du bist richtig sauer auf dich, dass du augenscheinlich nicht genug getan hast, um es jetzt zu schaffen.
Zuerst registrierst du, dass deine aktuelle Situation unveränderlich ist. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen. Ob du dich jetzt ärgerst und die Wände hochrennst, oder kreative Ursachenforschung betreibst und eine neue effektivere Vorgehensweise entwickelst, das ändert an der vergangenen Pleite nichts. Es ist diesmal verbockt. Nächste Abfahrt in einem halben Jahr.
Nach dem Ärgern kannst du ja mal versuchen nach Plan zu argumentieren und dich ansprechen, so als ob du dir selbst gegenüber sitzt.
„Also mir ist aufgefallen, dass du doch wusstest, wie wichtig die Prüfung im Hinblick auf deine Planung gewesen ist. Du hast aber trotzdem in den Wochen vor der Prüfung zu wenig geübt und dich nicht genug vorbereitet hast. Für mich hat es fast so ausgesehen, als würdest du auf Glück spielen und hoffen, einfach so durchzukommen.
Für mich selbst ist das insofern sehr ärgerlich weil ich mit dir gemeinsam nach Neuseeland reisen wollte und das nun für die nächsten sechs Monate vergessen kann.
Meine wirklich dringende Bitte wäre tatsächlich, dass es dir gelingt, das Risiko zu minimieren, oder zu eliminieren, nochmals zu scheitern. Schließlich könnten wir beide dann nicht mal im Sommer in den Flieger steigen.“
Das klingt fast lustig, so ein Dialog mit sich selbst. Aber wenn man genau hinsieht, ist das nur die freundliche Form des Gesprächs mit sich selbst. Ohne Bewertungen, Urteile und Verletzungen.
Aber was willst du auf eine solche Ansprache antworten als: „Ja, stimmt. Du hast Recht. Ich habe es überzogen und war leichtsinnig. Nochmal gehe ich das Risiko nicht ein.“
Das wäre doch ein viel angenehmeres Gespräch mit dir selbst. Es wäre viel effektiver, viel kürzer und so viel freundlicher. Selbst nach der Kritik fühlt man sich noch gut. Das ist es, worauf es ankommt.